Baumgartner, Franz

Einladung zur Ausstellungseröffnung mit Werken von Franz Baumgartner (Malerei) und Daniel Wagenblast (Skulptur) am Sonntag, 21. September 2014
Einführungen in die Ausstellung mit Dr. Sabine Heilig um 11, 14 und 16 Uhr.

 

 

PRESSEMITTEILUNG 

Spiel mit der Wirklichkeit – Die neue Ausstellung in der Galerie Cyprian Brenner in der Lange Straße

Seit Juli existiert die neue Galerie Cyprian Brenner in der Lange Straße in Schwäbisch Hall. Den Auftakt bildete eine Ausstellung mit Gemälden von Isa Dahl und Bronzeplastiken von Emil Cimiotti. Von Sonntag an nun zeigt der Galerist, der vor 16 Jahren mit der SüdWestGalerie in Niederalfingen bei Aalen begann, unweit der Kunsthalle Würth zwei weitere Positionen zeitgenössischer Kunst, wieder skulpturale Arbeiten und Gemälde in der Gegenüberstellung. Ausgewogenheit und Balance, Innehalten und die Konzentration auf einen Moment, der aber das Ganze umfasst, sowie eine Bildlichkeit, die über die realen Erscheinungen hinausgeht – es sind durchaus Gemeinsamkeiten zu finden zwischen Daniel Wagenblast, dem Holzbildhauer, und Franz Baumgartner, dem Landschaftsmaler. Daniel Wagenblast widmet sich der menschlichen Figur, meist der männlichen Figur, die er in Beziehung zu den unterschiedlichsten Dingen setzt. Zu Autos zum Beispiel, der Weltkugel, einer Kirche oder Tieren. Trotz Vereinfachung der Motive, plakativer Farbigkeit und Veränderung der Proportionalität hat Wagenblasts Kunst Wirklichkeitsbezüge. Diese werden nur manchmal bewusst auf den Kopf gestellt. Realität und Idealität: vielleicht sind es Sehnsuchtslandschaften – doch, Franz Baumgartner verzichtet darin auf den Menschen, wenngleich dieser in Person des Betrachters ganz selbstverständlich Teil des Motivs wird. Die Natur und ihre atmosphärischen Erscheinungen bilden den Ausgangspunkt seiner Malerei. Die kühle, bisweilen abweisende Farbigkeit steht im Kontrast zu den weichen malerischen Valeurs. Sie tauchen seine Ansichten in Watte – man fühlt sich wohl aufgehoben in diesen Bildern. Auch mit dieser zweiten Ausstellung bezieht die Galerie Cyprian Brenner bewusst Stellung für die historischen Künste Malerei und Bildhauerei, für ihre Unmittelbarkeit und Natürlichkeit sowie ihre Direktheit im Ausdruck. S. Heilig

 

 

LANDSCHAFTSMETAMORPHOSEN
Rudi Weiss, Elly Weiblen, Franz Baumgartner SüdWestGalerie Hüttlingen-Niederalfingen 26.10. – 7.12.2014

 

Rede zur Ausstellungseröffnung am 26. Oktober 2014

Dr. Sabine Heilig

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Elly Weiblen, Rudi Weiss und Franz Baumgartner, Landschaft, darunter verstehen wir das „da draußen“, das jenseits unseres urbanen Umfeldes. Landschaft bedeutet Raum, Naturraum, mal natürlich belassen, dann auch von Menschenhand geformt. In der Landschaft verbringen wir unsere Freizeit, dort können wir uns vom Alltag erholen. In der Landschaft, respektive in der Natur, tanken wir auf. Können wir das auch beim Betrachten von Landschaftsbildern ? Landscape, paysage, paesaggio – heißt Landschaftsmalerei in anderen Sprachen und meint dasselbe wie bei uns, nämlich die Darstellung von Ausschnitten aus der Natur. Erst zur Wende des 17. Jahrhunderts wurde, ausgehend von den Niederlanden, die Landschaft in der Malerei ein eigenes Bildthema, ausgelöst von den tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen in dieser Zeit und dem wachsenden Wohlstand bürgerlicher Schichten. Zunehmend setzte sich eine naturalistische Bildauffassung durch, losgelöst von den davor jahrhundertelang geforderten mythologischen und historischen Szenen, denen die Landschaft als schmückender Hintergrund diente. Eine weitere Entwicklung erfuhr die Landschaftsmalerei am Anfang des 19. Jahrhunderts in den Bildern der Romantiker, die ein subjektives Erleben von Landschaft aufzeigten. Als die Wahrnehmung wichtiger wurde als die Bedeutung eines Motivs, im Impressionismus, begannen sich Künstler, von der konkreten Körperlichkeit der Erscheinungen zu lösen. Sie ebeneten den Weg zur Moderne. Für das 20. Jahrhundert, als dessen Kinder wir uns ja begreifen, wurde eine Entfremdung des Menschen von der Natur festgestellt, was sich in den unterschiedlichsten künstlerischen Modellen ausdrückte (z.B. Beuys‘ Projekt der 7000 Eichen für Kassel anlässlich der documenta 7, 1982). Landschaft wurde zur Projektionsfläche radikal subjektiver Aktionen, nicht nur in den Werken der Land Art. Dynamik und Prozesshaftigkeit waren die Stichworte. Andere Künstler, vor allem Maler, verwiesen zur gleichen Zeit auf den ästhetischen Wert von Landschaft, so wie Gerhard Richter, der, danach gefragt, warum er in den späten 60er-Jahren so viele Landschaftsbilder gemalt habe, lapidar antwortete, er hätte Lust gehabt, etwas Schönes zu malen“ (Interview mit Rolf-Gunter Dienst), um im gleichen Zusammenhang die Verklärung anzuprangern, die wir der Natur entgegenbringen. Diese Diskrepanz bestimmt noch immer das künstlerische Denken. Rudi Weiss (geb. 1952 in Ingolstadt) thematisiert das auf sehr subtile Art und Weise. Sein Werk ist unseren Sinnen direkt ausgeliefert. Die Bilder aus vielen Schichten gespachtelt aufgetragener Ölfarbe können unvermittelt ihre Wirkung wechseln. Was zunächst an reale Erscheinungen erinnert (an Felsen oder Wasseroberflächen, „Fluss“, 2007 z.B.), springt im gleichen Moment um und ist nunmehr nur noch Farbmaterie – und umgekehrt. Es ist dicke, pastos aufgetragene Farbe, die wie gebaut oder gewachsen wirkt. Rudi Weiss verbindet in seinen Bildern die natürliche Erscheinungen mit dem Aspekt eines langsamen Wachstums analog seines langwierigen Prozesses beim Farbauftrag. Darüber hinaus vermittlet der grobe Aufbau des reichen Impasto (ital.: Teig) Ursprünglichkeit und Naturverwandtheit. So lässt das Betrachten seiner Werke an eine natürliche Entstehung denken; man kann seine Farbsetzungen als organisches Material empfinden. Rudi Weiss sei fasziniert vom geordneten Chaos natürlicher Strukturen, wird über ihn gesagt. Das heißt, der Künstler hat durchaus natürliche Eindrücke vor Augen, die er im Atelier in Malerei umsetzt. Beim Malen lässt er sich jedoch nicht von der Gegenständlichkeit eines Motivs lenken, sondern von der Arbeit mit der Farbe selbst. Mit ihr formt er noch nie dagewesene Steine, meerumspülte Felsen, Flussoberflächen, Alpenwände, Garten-Bilder, Stadtansichten, Fassadenflächen usw.. Der gestalterische Impuls, das Setzen der Farben mit Hilfe des Spachtels, wird in einem fahrigen Malgestus in zueinander- und auseinanderkommenden Bewegungen umgesetzt. Die krustigen, rohen Farboberflächen beginnen zu vibrieren, eine räumliche Wirkung entsteht. Man glaubt, sich spiegelndes Licht auf den Oberflächen zu sehen, das sich an den Spachtelspuren prismatisch aufspaltet (J. Höltje). Rudi Weiss‘ Bilder sind aus vielen unterschiedlichen Farben zusammengesetzt. Im Gesamteindruck überwiegen weißlich- helle oder ins Graue tendierende Töne, die jedoch immer mit bunten Farben angereichert sind (heute auch sehr stark farbige Bilder, z.B. „Track“, 2010). So werden allein schon durch die Farbigkeit differenzierte reale Assoziationen wie Landschaft („Land und Wasser“, braune und blaugraue Töne) oder Felsen (graue Farben) erzeugt. Dennoch ist eine motivliche Eindeutigkeit nicht immer gegeben. Die Vernetzungen der Farbhaut sprechen weniger von der Motivik des Bildes als von dem sichtbaren Gegeneinander von Aufbau und wieder Abtragung. Diese Ambivalenz der Wirkungen und die Spannung zwischen Abbild und Ahnung verhelfen den Arbeiten von Rudi Weiss zu ihrer faszinierenden Ausstrahlung. Unaufhaltsam wird man in den Bildraum gesogen, in diesen unglaublich nuancenreichen Farbraum, der einen wie ein weiches Gewebe umhüllt. ​ Mehrschichtigkeit im Ausdruck ist ein Element der Kunst von Franz Baumgartner (geb. 1962 in Kleve). Vordergründig widmet er sich den einfachen Motiven des Alltags, den Sujets ohne Pathos, den Dingen, die um uns herum sind, um uns herum passieren, so z.B. Landschaften, Flüssen, Bäumen, Gebäuden, Straßenzügen, touristischen Ansichten und, isoliert und übergroß dargestellt, auch Dingen des Alltags. In der Regel verzichtet der Künstler auf die Darstellung des Menschen in seinen Bildern, weil, wie er selbst sagt, „Menschen die ganze Aufmerksamkeit auf sich lenken würden“ (Zitat 2012). Doch vieles, was wir in seinen Bildern sehen, ist menschengemacht, von seiner Ursprünglichkeit in eine vom Menschen bestimmte Ordnung übertragen. Im Unterschied zu Rudi Weiss finden wir im Werk von Franz Baumgartner ganz konkrete, erkennbare Motive, Baumreihen, Wiesenflächen, Wasseroberflächen zum Beispiel. Häufig werden wir mit Nebel- oder Gegenlichtsituationen konfrontiert oder mit einer das Naturlicht übersteigerten Atmosphäre („Nebensonne Pappelschleuder“, 2012). Bisweilen sind seine Motive beinahe surreal vom Licht überstrahlt, wird eine transzendente Lichtstimmung im Bild erzeugt (o.T., 2008). Franz Baumgartner sagt von sich, er sei kein Realist im klassischen Sinne. Der Realismus als solcher interessiere ihn nicht. Seine Bilder seien Reflexionen des eigenen Erlebens, Umsetzungen von Eindrücken, die er vor Ort gesehen und empfunden hat. Reflexion, das meint Nachdenken, Überlegung, prüfende Betrachtung. Baumgartner geht beim Malen konsequent über die Naturanschauung hinaus, soweit, dass bei ihm auch die Lokalfarbe zugunsten einer gebrochenen Farbigkeit zurücktritt. Sein Farbspektrum bewegt sich in gedämpften, oft stumpfen und kühlen Tönen, welche die Leere, die man in seinen Landschaften spürt, noch unterstreicht. Gerd Brokelmann hat einmal treffend über die Bilder von Franz Baumgartner gesagt, sie seien „… Räume an der Peripherie des Bewußtseins“ (Kat. 2003). Das Befremdende, das der Betrachter in manchen von ihnen fühlt, hängt mit der wie eingefroren erscheinenden Situation und der eigentümlichen Lichtstimmung zusammen (im Kabinett: „die drei“, 2013). Franz Baumgartners Malerei wirkt Ort und Zeit entrückt und doch gleichzeitig aktuell, zeugt sie doch von unserem gespaltenen Verhältnis zur Natur der Dinge. In seinen Bildern können wir unseren Sehnsüchten nachgehen, nach stillen, einfachen Räumen, die uns Zeit zum Nachdenken und Träumen lassen. Franz Baumgartner hat sich einer Malerei verschrieben, die das Entschwinden der Wirklichkeit zum Thema macht und dies nicht ohne einen leichten melancholischen Unterton. Malerei sei für sie die Suche nach den Gleichgewichten der Farbe und ihren Wirkungen. Das hat mir die Malerin Elly Weiblen (geb. 1950 in Stuttgart) im Gespräch erzählt. Auch für ihr Werk gilt die Übersetzung der realen Anschauung. Doch ohne Kenntnis der Bildtitel wirken ihre Arbeiten zunächst gänzlich abstrakt. Liest man Begriffe wie „Wald“, „Felder“, „Garten“, „Meer“, „Himmel“ oder „Wolken“, fühlt man sich auf der richtigen Fährte. Die Künstlerin hat sich schon bei der Wahl ihres Malmittels, der Eitempera, für eine Farbe entschieden, die größte Sorgfalt und genaue Kenntnis ihrer Wirkungen erfordert. Die Emulsion trocknet schneller als Ölfarbe und verhält sich wesentlich spröder. Doch vor allem schätzt sie an diesem Material seine besondere Leuchtfähigkeit. Wichtig ist ihr, zu malen, „bis die Farbe einen Raum in sich selbst bekommt“ und „die Farben aus der Tiefe herausleuchten“ (im Gespräch mit der Verfass. 2014). Elly Weiblen arbeitet hauptsächlich mit drei Erdfarben (Umbra, Ocker, Terra di Siena), weiterhin mit mehreren Gelb- und Blautönen. Dazu setzt und mischt sie weiße und schwarze Farbe, letztere als dominantes Gegengewicht gegen die Lichtfarben. Das Zusammenwirken von Gelb und Blau eröffnet ihr starke Wirkungen: „Plötzlich glüht das Gelb, weil es ein kleines Blau gibt“, hat sie mir einmal gesagt. Die Kraft in ihren Bildern stammt zuallererst aus der Farbe selbst und dann aus dem Duktus der malenden Hand. Mit breitem Pinselstrich werden die Farben Schicht über Schicht gesetzt. Ihre Gemälde zeigen grundsätzlich Bildausschnitte. Sie schneidet die Formen an den Bildrändern an und suggeriert damit einen nahe am Motiv befindlichen Betrachterstandpunkt. Wir sehen Flächen, die zwischen geometrischer Eindeutigkeit und amorphen Formen variieren. Es ist ein Neben-, An- und Übereinander unterschiedlich großer Farbflächen, rundliche und längliche Formen. Manchmal werden sie flächenhaft verschränkt und bilden einen dichten Farbteppich. Dann wiederum gibt es große Bereiche mit einheitlichen, horizontal gesetzten Farbverläufen und kompakten Formen. Die besondere Wirkung, die die Gemälde von Elly Weiblen auf uns haben, geht aber in erster Linie von den Farben aus. Behutsamkeit ist das Stichwort, das ihr Schaffen kennzeichnet, Behutsamkeit im Umgang mit Farbe und Form. Neben Zartheit schwingen in diesem Begriff auch Bedeutungen wie Umsicht, Sorgfalt und Genauigkeit mit. Ihre Sensibilität im Umgang mit Motiv, Bildaufbau und Farbgestaltung verhilft ihrem Werk zu seiner besonderen Ausdrucksstärke. Wir wandern gerne in ihren Farblandschaften. Dieses unbedingte „In-der-Sache-drin-sein-Wollen“ ist nicht nur ihr Anliegen, nein, sie versteht es auch, dieses auf den Betrachter zu übertragen. Wir haben diese Ausstellung „Landschaftsmetamorphosen“ genannt, um damit aufzuzeigen, dass sich zeitgenössische Malerei, selbst wenn es sich um Darstellungen von Landschaft handelt, mit Elementen des Übergangs, des Wechsels, der Transformation beschäftigt. Die Dimension unserer Sinne wird immer mehr geschult, wir werden ständig mit Veränderungen konfrontiert. Übertragen auf die Ausstellung heute bilden Geste (Rudi Weiss), Farbe (Elly Weiblen) und Form (Franz Baumgartner) nur den ersten Ausgangspunkt zur Behandlung unseres komplexen Seins. Die Metamorphose meint auch Verwandlung, Umwandlung von Wirklichkeit in neue, ungewohnte, aber auch faszinierende Bilder. Können wir beim Betrachten von zeitgenössischer Landschaftskunst aufatmen ?, war die zu Anfang gestellte Frage. Nun, nach diesen Beispiele würde ich sagen, ja! ​ Bitte probieren Sie es an den Werken unserer drei Maler selbst aus. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. © Dr. Sabine Heilig, Nördlingen, im Oktober 2014